Erbschleicherei – moralisch verwerflich

Einen eigenen Straftatbestand der „Erbschleicherei“ kennt das Strafgesetzbuch nicht. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich hinter diesem Begriff Verhaltensmuster verbergen, die sehr wohl strafrechtlich relevant sind.

Die Palette der in frage kommenden Straftatbestände kann hier – je nach Lage des Einzelfalles – weit gestreut sein.  Diese reichen von Freiheitsberaubung, Nötigung über Urkundenfälschung bis hin zur Unterschlagung, Untreue und  Betrug, um nur einige zu nennen. Letzten Endes ist es jedoch sehr schwierig, die Erbschleicherei überhaupt in die zur Verfügung stehenden Straftatbestände einzuordnen und damit dem Erbschleicher das Handwerk zu legen.
Die Erbschleicherei zeichnet sich dadurch aus, dass (meist) außenstehende Personen widerrechtliche und verwerfliche Taktiken entwickeln und anwenden, die den Erblasser dazu bringen, ihnen das gesamte Vermögen oder große Teile des Vermögens entweder zu vererben oder schon zu Lebzeiten zu übertragen. Mit dem ursprünglichen und eigenen Willen des Erblassers haben diese Vermögensübertragungen oder Schenkungen nichts mehr zu tun. Wenn der Erblasser evtl. krank und hilfsbedürftig ist und der Erbschleicher die richtige Isolationstaktik anwendet, lässt er sich leichter zu Verfügungen überreden, die er früher selbst für völlig absurd gehalten hätte. Genau darum geht es ja bei der Erbschleicherei: Die (testamentarischen) Handlungen des Erblassers so zu beeinflussen, dass es sich letztlich – von außen betrachtet – so darstellt, als ob der Erblasser genau diese Folgen gewollt hätte. Auf die darauf folgenden erheblichen Beweisschwierigkeiten in einem eventuell folgenden Gerichtsverfahren wurde schon vielfach hingewiesen. Rechtlich angreifbar wird die Angelegenheit nur dann, wenn die gesetzlichen oder potenziellen Erben nachweisen können, dass eine Strafbarkeit des Erbschleichers vorliegt.  In vielen Fällen ist es aber schlichtweg unmöglich, den wahren Willen des Erblassers im Nachhinein in einem Gerichtsverfahren festzustellen.

Susanne Kilisch

Wiss. Mitarbeiterin

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