Wie wird in Österreich mit Vorsorgevollmachtmissbrauch umgegangen?

Auch in Österreich gibt es verschiedene Regulatorien, um möglichem Missbrauch durch Vorsorgebevollmächtigte zum Nachteil der Vollmachtgeber einzudämmen, bzw. zu verhindern.
Als effektivste Maßnahme wird dabei die Möglichkeit angesehen, dass – wie in Deutschland – jeder dazu befugt ist, bei entsprechendem Verdacht, das Pflegschaftsgericht einzuschalten und eine Sachwalterschaft anzuregen. Das Gericht wird dann im Rahmen eines einzuleitenden Sachwalterschaftsverfahrens die Lebensumstände des Betroffenen prüfen und entscheiden, ob – trotz Vorsorgevollmacht – die Einsetzung eines Sachwalters erforderlich ist oder nicht.
Auch im deutschen Betreuungsrecht ist die gerichtliche Anregung einer Betreuung jederzeit möglich. Die persönliche Situation des Betroffenen wird vom Betreuungsgericht ebenfalls geprüft und ggf. festgestellt, dass Betreuungsbedarf und Betreuungsbedürftigkeit besteht. Die nach wie vor im Raum stehende Vorsorgevollmacht kann u. U. von dem dann einzusetzenden Betreuer widerrufen werden, soweit das Betreuungsgericht feststellt, dass die Voraussetzungen dafür vorliegen. Der Betreuer bekommt dann den Aufgabenkreis „Widerruf einer Vollmacht“ übertragen, d. h. er ist dazu berechtigt, die Vorsorgevollmacht zu widerrufen. Folge eines solchen Widerrufs ist, dass die Vollmacht im Ganzen nicht mehr wirksam ist und im allg. Rechtsverkehr kein Gebrauch mehr von ihr gemacht werden darf. (Diese Vorgehensweise ist in vielerlei Hinsicht zu kritisieren, s. dazu zahlreiche Beiträge bspw. in den Kategorien „Vorsorgevollmacht“, „Vollmachtswiderruf“).
Was passiert beispielsweise in Österreich in einem solchen Fall mit der Vollmacht?

Diese Frage konnte trotz umfangreicher Recherchen bis jetzt nicht eindeutig geklärt werden. Es scheint diesbezüglich bis jetzt keine einheitliche Rechtsanwendung zu geben. Fest steht, dass es zum einen in Österreich keinen ausdrücklichen, vom Pflegschaftsgericht anzuordnenden Aufgabenkreis (Wirkungskreis) des Betreuers (Sachwalters) gibt, der ihn zum Widerruf einer Vollmacht berechtigen würde. Zum anderen wird die Vollmacht offenbar auch nicht von den Pflegschaftsgerichten selbst im Rahmen des Sachwalterschaftsverfahrens außer Kraft gesetzt. Die gängige Praxis sieht  erstaunlicherweise offenbar so aus, dass der eingesetzte Sachwalter für die entsprechenden Wirkungskreise die alleinige Vertretungsbefugnis besitzt und der Vorsorgebevollmächtigte insoweit von der Vollmacht keinen Gebrauch mehr machen darf. Der Sachwalter muss dies für die ihm übertragenen Wirkungskreise gegenüber Dritten so kommunizieren. Das heißt, dass die Vollmacht durch die Ernennung eines Sachwalters in ihrer Wirksamkeit als Ganzes aber nicht angetastet, bzw. unwirksam wird. Sie besteht grundsätzlich weiter und kann folglich in den Lebensbereichen, für die der Sachwalter nicht bestellt wurde, weiter im Rechtsverkehr gebraucht werden (von dem Bevollmächtigten, dem evtl. begründete Missbrauchsvorwürfe zur Last gelegt werden!). Diese Vorgehensweise lässt nicht nur den Bevollmächtigten u. U. weiter in seiner unredlichen Verhaltensweise gewähren, sondern erzeugt unserer Meinung nach auch erhebliche Unsicherheiten und Rechtsstreitigkeiten sowohl innerhalb des allgemeinen Rechtsverkehrs, als auch für den Betroffenen und den Bevollmächtigten. Denn wie sollen Dritte (Vertragspartner, Ärzte, Behörden usw.) von einem Sachwalterverfahren, welches den Gebrauch der Vollmacht für die entsprechenden Wirkungskreise ausschließt, überhaupt wissen, wenn eine ordnungsgemäße Vorsorgevollmacht als Legitimation vorgelegt wird?

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