Betreuung gegen den Willen des Betroffenen

Grundsätzlich ist für die Bestellung eines Betreuers gegen den Willen des zu Betreuenden  Voraussetzung, dass der Betreute tatsächlich seinen Willen nicht frei bestimmen kann. Der Staat hat nicht das Recht, seine erwachsenen und zur freien Willensbestimmung fähigen Bürger durch die Einrichtung einer Betreuung in ihrer Freiheit zu beschränken, ohne dass sie sich selbst oder andere gefährden. Die Bestellung eines Betreuers gegen den Willen des Betroffenen, ohne  hinreichende Tatsachenfeststellung, die für eine Beeinträchtigung des freien Willens spricht, verletzt die Grundrechte des Betroffenen auf massive Art und Weise.
Wenn der Betreute beispielsweis erstmals im Beschwerdeverfahren seine ablehnende Haltung gegenüber der Betreuung zum Ausdruck bringt, kommt dem Beschwerdegericht eine erhöhte Pflicht dahingehend zu, den Willen des Betreuten aufzuklären. Es darf sich bei seiner Entscheidung nicht einfach auf die Ausführungen des Betreuungsgerichts stützen.
Im Allgemeinen gilt, dass in den Fällen, in denen ein Betroffener gegen seinen Willen unter Betreuung gestellt wird, die entsprechenden Gerichtsentscheidungen einer strengen Prüfung und Kontrolle des Bundesverfassungsgerichts unterliegen. Dies ergibt sich aus dem Gewicht der damit verbundenen massiven Grundrechtseingriffe.
Erfasst wird von der verfassungsgerichtlichen Kontrolle insbesondere auch die Frage, ob die festgestellten Tatsachen die Entscheidung tragen und ohne wesentlichen Verstoß gegen Verfahrensrecht gewonnen wurden. Hat der Betroffene sein Einverständnis mit der Bestellung eines Betreuers verweigert, ist eine persönliche Anhörung des Betroffenen im betreuungsrechtlichen Verfahren regelmäßig unerlässlich. Es muss durch die Anhörung geklärt werden, ob der Betroffene im Grundsatz in der Lage ist, die für und wider die Bestellung eines Betreuers sprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und gegeneinander abzuwägen. Alles andere verstößt gegen die Verfassung.
Mit der Einfügung von § 1896 Abs. 1 a BGB wollte der Gesetzgeber die Selbstbestimmung des Betroffenen ausdrücklich stärken. Eine Bestellung gegen den freien Willen des Betroffenen stelle – so die Gesetzesbegründung – einen Eingriff in die Würde des Betroffenen dar, der zu unterlassen oder zu beseitigen sei (BTDrucks 15/2494, S. 28).
Die Aufgabe der Gerichte besteht in diesen Fällen also darin, mit allen denkbaren Mitteln festzustellen, ob der Betroffene in der Lage ist, einen eigenen, freien Willen zu bilden. Sollte das Gericht zu dem Ergebnis kommen, dass er dazu nicht in der Lage ist, ist die ablehnende Haltung des Betroffenen hinsichtlich der Einrichtung einer Betreuung unbeachtlich. Dann bekommt er trotzdem einen rechtlichen Betreuer. Es liegt auf der Hand, dass angesichts der dann automatisch erfolgenden massiven Grundrechtseingriffe, die der Betroffene im Rahmen seines (nicht gewollten) Betreuungsverfahrens zwangsläufig hinnehmen muss, die Anforderungen an die Tatsachenfeststellungen der Gerichte sehr hoch sein müssen und diese und die daraus gezogenen Schlüsse zurecht der verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterliegen.

Themen
Alle Themen anzeigen