Zwingende Anhörung in Unterbringungssachen / Kernstück des Amtsermittlungsgrundsatzes

Wenn es schnell gehen muss mit der Einrichtung einer Betreuung und einer damit verbundenen Unterbringung des Betroffenen in einem psychiatrischen Krankenhaus geschieht dies durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung (dringende Gründe und dringendes Bedürfnis für sofortiges Tätigwerden). Aus § 319 Abs. 1 FamFG ergibt sich die Pflicht, den Betroffenen auch in diesen Fällen zuvor mündlich anzuhören und sich dadurch einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen. Diese Anhörungspflicht stellt eine der bedeutsamsten Verfahrensgarantien dar. Der Grundrechtsschutz aus Art. 104 GG erfordert, dass dies beachtet wird.

Der Zweck der Anhörung erschöpft sich im Unterbringungsverfahren nicht darin, dass dem Betroffenen rechtliches Gehör erteilt wird. Vorrangiger Zweck in solchen Fällen ist vielmehr, dass es dem Richter so möglich ist, sich einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen und der Art seiner Erkrankung zu machen. Nur so wird der Richter in die Lage versetzt, sich ein klares und umfassendes Bild von der Persönlichkeit des Betroffenen zu machen. Allein dadurch ist es dem Richter möglich, dem ärztlichen Gutachten (durch das die Unterbringung für erforderlich erklärt wird) eine echte richterliche Kontrolle entgegenzusetzen und als neutrale Instanz die Rechte des Betroffenen am besten zu sichern und zu bewahren. Deshalb gehört der persönliche Eindruck des Richters als Kernstück des Amtsermittlungsgrundsatzes zu den wichtigsten Verfahrensgrundsätzen des Unterbringungsrechts. Bei psychischen Krankheiten, die eine Freiheitsentziehung durch Unterbringung erforderlich machen liegt es in der Natur der Sache, dass die Betroffenen in besonderem Maße hilfs- und schutzbedürftig sind. Dieser Umstand tangiert in besonderer Weise die Menschenwürde und fordert deshalb von dem zuständigen Richter eine nochmals gesteigerte Verantwortung für die Gewähr eines rechtsstaatlichen Verfahrens. Der Richter übernimmt mit seiner Unterzeichnung des Unterbringungsbeschlusses die persönliche Verantwortung für den Freiheitsentzug des Betroffenen.

Gleichwohl hat sich das Gesetz eine „Hintertür“ offengelassen. Nach § 319 Abs. 3, § 34 Abs. 2 FamFG beispielsweise kann in besonders prekären Ausnahmefällen von der persönlichen Anhörung abgesehen werden. Das darf aber nicht damit verwechselt werden, dass der Richter sich auch in so einem Ausnahmefall trotzdem einen persönlichen Eindruck (ohne Gespräch, bzw. Anhörung) von dem Betroffenen verschaffen muss. (s. LG Freiburg, Beschluss v. 19.05.2020, AZ: 4 T 98/20)

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