Sachverständigengutachten – Häufige Verfahrensfehler – Missachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

Wenn für das Betreuungsgericht hinreichende Anhaltpunkte für die Einrichtung einer Betreuung gegeben sind, wird die Einholung eines medizinischen Gutachtens angeordnet.

Nach Erstellung des Gutachtens kommt es in vielen Betreuungsfällen anschließend zu dem Verfahrensfehler, dass das Gutachten dem Betroffenen nicht rechtzeitig oder nicht in seinem vollen Wortlaut bekannt gegeben wird.

Grundsätzlich muss das Gutachten dem verfahrensfähigen Betroffenen vollständig zur Verfügung gestellt werden. Die vielfach verbreitete Praxis der Gerichte, dem Betroffenen das Gutachten erst im Anhörungstermin zur Verfügung zu stellen, bzw. ihm den Inhalt in groben Zügen mitzuteilen, ist grundsätzlich nicht ausreichend. Diese Ausnahmen dürfen nur dann gemacht werden, wenn es konkrete Feststellungen dazu gibt, dass der Betroffene gerade durch die (vollständige) Kenntnis des Inhalts des Gutachtens schwerwiegende gesundheitliche Nachteile erleiden würde. In diesen Ausnahmefällen ist es jedoch erforderlich, dass das Gutachten dem Verfahrenspfleger übermittelt wird, so dass dieser den Inhalt mit dem Betroffenen rechtzeitig vor dem Anhörungstermin adäquat besprechen kann. Nur dann ist der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör erfüllt. Eine bloße Bekanntgabe an den Verfahrenspfleger ohne Besprechung mit dem Betroffenen genügt nur in den absoluten Ausnahmefällen der § 288 Abs. 1 und § 325 Abs. 1 FamFG.

Auch die Überlassung des Gutachtens an den Betreuer reicht nicht aus, um dem Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör zu genügen – auch dann nicht, wenn der Betreuer den Inhalt des Gutachtens mit dem Betroffenen bespricht.

Ebenso wenig genügt die Bekanntgabe von Teilen des Gutachtens durch einen im Rahmen der Rechtshilfe beauftragten Richter oder durch die Betreuungsbehörde.

Die fehlende oder ungenügende Bekanntgabe des Gutachtens stellt regelmäßig einen Verfahrensfehler dar, der dazu führen kann, dass die daraufhin getroffene Entscheidung des Gerichts nach Beschwerdeeinlegung aufgehoben wird.

 

 

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