Die Genehmigung einer Zwangsbehandlung ohne ausreichende gutachterliche Grundlage ist rechtswidrig

Wenn vom Betreuungsgericht die Zwangsbehandlung eines Betroffenen genehmigt wird und dazu nicht – wie von § 321 Abs. 1 FamFG zwingend vorgeschrieben – ein (ausreichendes) Gutachten zur Notwendigkeit dieser Maßnahme eingeholt wird, stellt dies eine Verletzung einer elementaren Verfahrensgarantie des Betroffenen dar.
BGH, Beschluss v. 08.07.2015, AZ: XII ZB 600/14
§ 321 Abs. 1 S. 1 FamFG bestimmt, dass vor einer Unterbringungsmaßnahme eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens stattfinden muss. Erforderlich ist hierfür die Benennung eines Sachverständigen durch das Gericht, was dem Betroffenen auch mitgeteilt werden muss. In der Folge hat der Sachverständige den Betroffenen vor Erstellung des Gutachtens zu untersuchen und zu befragen, dem Betroffenen muss der Zweck der Untersuchung mitgeteilt werden.
Inhaltlich muss das Gutachten muss ausführlich auf die Art und das Ausmaß der Erkrankung eingehen, die Vorgeschichte mit einbeziehen, die durchgeführte Untersuchung beschreiben und dokumentieren, auf sonstige Erkenntnisse eingehen und wissenschaftlich begründen.
Es genügt nicht, beispielsweise den behandelnden Stationsarzt damit zu beauftragen, ein Attest auszustellen, welches allein auf den Kenntnissen des Arztes aus der stationären Behandlung des Betroffenen basiert.
Begründung:
Zum einen wäre der Arzt in diesem Fall nicht vom Gericht ordnungsgemäß als Sachverständiger bestellt worden und der Betroffene wäre nicht darüber informiert, dass dieser ihm auch als Sachverständiger gegenüber tritt.
Des Weiteren setzt sich ein Attest üblicherweise nicht in der oben beschriebenen ausführlichen Art und Weise mit der Erforderlichkeit der medikamentösen Behandlung und der Krankheitsgeschichte des Betroffenen auseinander.
Zum anderen muss in diesem Zusammenhang die Regelung des § 321 Abs. 1 S. 5 FamFG beachtet werden. Danach soll der Arzt, der das Gutachten erstattet, nicht der schon behandelnde Arzt sein, sondern ein anderer. Es handelt sich nach der Formulierung des Gesetzes zwar um eine „Soll“-Vorschrift. Dies bedeutet jedoch nur, dass im Regelfall ein anderer Arzt zu beauftragen ist, es aber eng begrenzte Ausnahmefälle gibt, in denen doch ausnahmsweise der behandelnde Arzt zum Gutachter bestellt werden kann.

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