Ärztliche Zwangsmaßnahmen – Konkretisierung der Notwendigkeit durch die Rechtsprechung

Der BGH hat mir Beschluss vom 15.01.2020 (AZ: XII ZB 381/19) entschieden, dass nur solche ärztlichen Zwangsmaßnahmen als notwendig angesehen werden können, deren Durchführung einer breiten medizinisch-wissenschaftlichen Übereinstimmung entspricht, die u. a. in wissenschaftlichen Stellungnahmen des Beirats der Bundesärztekammer sowie in medizinischen Leitlinien zum Ausdruck kommen muss. Damit konkretisiert der BGH den Begriff der Notwendigkeit innerhalb des § 1906a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB.

Daraus folgt, dass falls ein Betreuter einer medizinischen Behandlung oder Therapie ausdrücklich widerspricht, für die kein breiter medizinisch-wissenschaftlicher Konsens besteht, die Einwilligung des Betreuers in die zwangsweise Durchführung der infrage stehenden Behandlung/Therapie in der Regel nicht genehmigungsfähig ist.

Kritisch betrachtet wird diese Entscheidung deshalb, weil dadurch medizinische Handlungsempfehlungen zu einem Bewertungsmaßstab im juristischen Sinne gemacht werden. Es ist weder das Ziel noch der Sinn von medizinischen Leitlinien, medizinische Notwendigkeiten pauschal verbindlich festzulegen und sie zu zwingenden juristischen Voraussetzungen zu machen.

Das oben genannte Urteil bezieht sich auf einen Fall, in dem ein an Schizophrenie leidender Betreuter gegen seinen Willen einer Elektrokonvulsionstherapie (EKT) unterzogen werden sollte. Diese gehört nach der Bundesärztekammer zwar zu wissenschaftlich anerkannten Behandlungsmaßnahmen. Aus der Stellungnahme geht jedoch auch hervor, dass bei der Anwendung der EKT jedoch auch der Wunsch des Patienten zu berücksichtigen ist. Dies gilt in diesem Zusammenhang unabhängig von der Einwilligungsfähigkeit des Patienten. Sie Stellungnahme beinhaltet ausdrücklich, dass, falls der Betreuer der EKT zustimmt, der Betroffene jedoch ausdrücklich widerspricht, diese im Regelfall nicht angewendet wird (restriktive Grundregel).

 

 

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