Auslandssituation des Betreuungsrechts

Vergleich Deutschland – Schweiz – Österreich- Skandinavien

In allen Ländern ist in den letzten Jahren dieenorme Wichtigkeitder privaten Vorsorge erkannt und deutlich geworden.  Zahlreiche Rechtsverordnungen unterstützen die verstärkte Selbstbestimmung im Bereich des Betreuungsrechts durch die Aufnahme von Vorsorgevollmachten (in der Schweiz: Vorsorgeaufträge) und Patientenverfügungen. Dies ist grundsätzlich vor allem deshalbals vorteilhaft anzusehen, da auf dem Gebiet des Betreuungsrechts, so wie es derzeit z. B. in Deutschland geregelt ist, eine erhebliche Überlastung der Gerichte besteht. Die Betreuungsgerichte sehen sich aufgrund der überhand nehmenden Zahl von Fällen nicht in der Lage, auf die individuellen Wünsche und Bedürfnisse der Betroffenen einzugehen.

Im internationalen Vergleich werden in Deutschland, Österreich und der Schweizmehr Betreuungen bestellt als z. B. in Skandinavien. In Deutschland gibt es z. B. bei 81 Mio. Einwohnern 1,2 Mio. Betreuungen, in Österreich und der Schweiz handelt sich um ähnliche Zahlen.

Verantwortlich für die Unterschiede in den Betreuungszahlen sind – bei grundsätzlich ähnlicher Gesetzgebung – zum einen regionale Rechtskulturen.
Zum anderen die unterschiedliche Gestaltung der Sozialsysteme. In Deutschland, Österreich und der Schweiz beispielsweise werden Sozial- und Pflegeleistungen als Geldleistung zur Verfügung gestellt. Dies hat bürokratischen Aufwand zur Folge, was den Bedarf an Betreuern ansteigen lässt. Denn zusätzliche Rechtsgeschäfte können im Falle von Geschäftsunfähigkeit dann eben nur von dafür bestellten Personen übernommen werden. In skandinavischen Ländern dagegen werden viele dieser Mittel verhältnismäßig unbürokratisch von der jeweiligen Gemeinde als Sachleistungen zur Verfügung gestellt.

Außerdem gibt es hinsichtlich der im Betreuungsrecht oft auftretenden Freiheitsbeschränkungen, wie z. B. Unterbringungen, Zwangsbehandlungen und Zwangsuntersuchungen, internationale Unterschiede. In Deutschland fallen diese in den Bereich des Betreuers und des Betreuungsgerichtes. In Österreich und der Schweiz beispielsweise sind hierfür öffentlich rechtliche Vorschriften maßgebend, das heißt es handelt sich dort um Behördenentscheidungen.
Unterschiedliche Ausgestaltung der Handlungsfähigkeit (Geschäftsfähigkeit)

In Deutschland kommt es im Falle einer angeordneten Betreuung nicht automatisch zu einer Beschränkung oder gar zum Verlust der Geschäftsfähigkeit. Nur dann, wenn zusätzlich seitens des Betreuungsgerichts ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet wird, wird die Geschäftsfähigkeit des Betroffenen eingeschränkt. Dieser Einwilligungsvorbehalt erfasst auch nicht automatisch alle Rechtsgeschäfte, sondern kann individuell ausgestaltet sein. Die Zahl der Fälle, in denen ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet wird, ist auch relativ gering. Besondere Belastungen oder Probleme im Rechtsverkehr sind durch diese Regelungen bisher nicht entstanden.

Die Betroffenen, für die eine Betreuung für „alle Angelegenheiten“ eingerichtet ist, haben keine Wahlberechtigung. Die Betreuung für nur einzelne Angelegenheiten berührt das Wahlrecht nicht.
Auf die Testierfreiheit hat die Betreuerbestellung in Deutschland keine Auswirkungen.
In Österreich führt die Bestellung eines Sachwalters- auch wenn die volle Entscheidungsfähigkeit der betroffenen Person vorliegt – automatisch zur Beschränkung der Geschäftsfähigkeit, und zwar innerhalb des Wirkungskreises des Sachwalters. Der Sachwalter wird in Österreich in etwa der Hälfte der Fälle für „alle Angelegenheiten“ und in den übrigen Fällen oft für Vermögensangelegenheiten eingesetzt. Daraus folgt, dass in Österreich der Großteil der betreuten Personen beschränkt geschäftsfähig ist.  Allerdings werden die Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens rückwirkend mit ihrer Erfüllung rechtswirksam. Auswirkung auf das Wahlrecht hat die Bestellung eines Sachwalters nicht. Auch wenn ein Sachwalter für „alle Angelegenheiten“ bestellt wird, stellt dies keinen Wahlausschließungsgrund dar.

&undefined;Die Testierfähigkeit kann durch die Bestellung des Sachwalters eingeschränkt werden. Es besteht die Möglichkeit, dass das Gericht anordnet, dass die Betroffenen nur mündlich vor dem Notar oder dem Gerichtihren letzten Willen wirksam zum Ausdruck bringen können.

In der Schweiz wird das Betreuungsrecht durch das Erwachsenenschutzrecht geregelt. Zuständig für Betreuungssachen in der Schweiz ist die Erwachsenenschutzbehörde, sie ist eine professionelle Fachbehörde. Dies ist ein deutlicher Unterschied zur Rechtslage in Deutschland. Die Erwachsenenschutzbehörde entspricht ihrer Funktion und Zuständigkeit nach dem deutschen Betreuungsgericht und ist nicht gleichzusetzen mit der Betreuungsbehörde in Deutschland.
Ansatzpunkt für die selbstbestimmte Teilnahme am Rechtverkehr ist in der Schweiz grundsätzlich die Urteilsfähigkeit des Betroffenen. Urteilsfähig sind solche Erwachsene, die in der Lage sind, vernunftgemäß zu handeln. Abgestellt wird hier auf die Fähigkeit zu Rechtshandlungen im Allgemeinen, dagegen liegt die Gewichtung im deutschen Recht auf den Vorschriften zur Geschäftsfähigkeit.

Aus den Regelungen zur privaten Vorsorge durch Vorsorgeauftrag (entspricht der deutschen Vorsorgevollmacht) ist zu entnehmen, dass auch hier großen Wert auf die eigene, selbstbestimmte Vorsorge gelegt wird. Der Vorsorgeauftrag unterliegt – im Unterschied zu den deutschen Regelungen zur Vorsorgevollmacht – bestimmten Formerfordernissen und muss für die Feststellung seiner Wirksamkeit von der Erwachsenenschutzbehörde geprüft werden.  Wenn eine Person betreuungsbedürftig wird, hat sich die Behörde zu erkundigen, ob ein Vorsorgeauftrag vorliegt und muss in verschiedenen Prüfungsschritten feststellen, ob dieser gültig ist etc. und ob ggf. weitere Maßnahmen der Behörde erforderlich sind. Dieses behördliche Verfahren hat zur Folge, dass eine staatliche Aufsicht in der Regel danach nicht mehr notwendig ist.

Ein weiterer gewichtiger Unterschied zum deutschen Recht besteht insoweit, dass der Ehegatte, der mit einer Person, die urteilsunfähig wird, einen gemeinsamen Haushalt führt oder ihr regelmäßig persönlich Beistand leistet,  ein gesetzliches Vertretungsrecht hat.  Dieses ist zwar inhaltlich beschränkt, umfasst aber immerhin Rechtshandlungen zur Deckung des Unterhaltsbedarfs, die Verwaltung des Einkommens und Vermögens und die Befugnis die Post zu öffnen und zu erledigen.

Wenn keine private Vorsorge getroffen wurde, gibt es verschiedene Stufen der gesetzlich geregelten Beistandschaft. Sie beginnt mit der schwächsten Form der Begleitbeistandschaft, die nur unterstützende Wirkung hat. Die Handlungsfähigkeit wird nicht berührt. Danach kommt die Vertretungsbeistandschaft, sie ist eine gesetzliche Vertretung ohne automatischen Verlust der Geschäftsfähigkeit. Sie kann aber durch die Behörde individuell eingeschränkt werden. Die dritte Stufe bildet die Mitwirkungsbeistandschaft, sie ist mit dem deutschen Einwilligungsvorbehalt vergleichbar, d. h. es ist für bestimmte Maßnahmen die Zustimmung des Beistandes notwendig. Die umfassende Beistandschaft schließlich bewirkt den umfassenden Verlust der gesamten Handlungsfähigkeit und des Wahlrechts.
Die Testierfreiheit kann dadurch eingeschränkt sein, dass in den höheren Stufen der Beistandschaften ein Einwilligungsvorbehalt festgelegt wird.

In  den skandinavischen Ländern gibt es keinen Zusammenhang zwischen der Bestellung eines Betreuers und dem Entzug der Geschäftsfähigkeit. Hier bleibt es bei der Möglichkeit, Rechtsgeschäfte durch den Betreuer vorzunehmen. Eine Beschränkung des Wahlrechts oder der Testierfreiheit gibt es nicht.

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