Kann das Gericht die persönliche Anhörung des Betroffenen vor der Betreuerbestellung unterlassen?

Nur in Ausnahmefällen. Die persönliche Anhörung muss sehr ernst genommen werden, sie gehört zu den wichtigsten Verfahrensgarantien im Betreuungsrecht überhaupt. Wenn die persönliche Anhörung nicht durchgeführt wurde, kann dies einen so gravierenden Verfahrensmangel darstellen, dass in der Folge das gesamte Betreuungsverfahren rechtswidrig ist. Trotzdem gibt es Ausnahmefälle, in denen unter Umständen auf die persönliche Anhörung verzichtet werden kann.
Ein Absehen von der persönlichen Anhörung kommt in den Fällen des § 278 Abs. 4 i. V. m. § 34 Abs. 2 FamFG in Betracht. Es muss durch ein ärztliches Gutachten bestätigt werden, dass der Betroffene erhebliche gesundheitliche Gefahren zu befürchten hat, wenn er zu einer persönlichen Anhörung gezwungen wird. Beispiele hierfür sind die Gefahr des Herzversagens oder erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes bei psychischen Erkrankungen. Darüber hinaus darf diese Gefahr auch nicht durch Hinzuziehen einer oder mehrerer Vertrauenspersonen auszuschließen sein.
Weiterhin ist die persönliche Anhörung dann entbehrlich, wenn das Gericht aufgrund des unmittelbaren persönlichen Eindrucks zu dem Schluss kommt, dass der Betroffene nicht in der Lage ist, seinen Willen in irgendeiner Form, also schriftlich, mündlich, durch Gesten oder mit Hilfe eines Gebärdendolmetschers zu äußern.
In diesen Fällen muss dem Betroffenen aber vorher ein Verfahrenspfleger zur Seite gestellt werden.
Wenn das Gericht sich dazu entschieden hat, die persönliche Anhörung nicht vorzunehmen, muss dies in der Entscheidung konkret und unter Darlegung der tatsächlichen Umstände begründet werden. Ansonsten liegt ein Verfahrensmangel vor.
Der BGH hat in einer Entscheidung bestätigt, dass in diesem Zusammenhang sehr strenge Maßstäbe anzulegen sind:
Von der Anhörung des Betroffenen, bzw. von der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks darf das Gericht, wenn es um die erstmalige Betreuerbestellung oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes geht, dann absehen, wenn eine Vorführung des Betroffenen unverhältnismäßig ist und das Gericht zuvor sämtliche nicht mit Zwang verbundenen Versuche – einschließlich des Versuchs einer Anhörung in der gewöhnlichen Umgebung – unternommen hat um den Betroffenen zu befragen oder sich von ihm einen persönlichen Eindruck zu verschaffen.
Eine Betreuung kann in diesen Fällen nur dann angeordnet werden, wenn das Gericht nach Ausschöpfung aller verfügbaren Erkenntnismöglichkeiten auch ohne Anhörung und ohne persönlichen Eindruck von dem Betroffenen vom Vorliegen der Betreuungsvoraussetzungen überzeugt ist (BGH, Beschl. v.02. 07.2014, AZ: XII ZB 120/14, vgl. auch BGH Beschluss v. 26.11. 2014, AZ: XII ZB 405/14).

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