Anhörung / Begutachtung gegen den Willen des Betroffenen

In einem Betreuungsverfahren darf der Betroffene gegen seinen Willen in seiner Wohnung weder angehört, noch begutachtet werden. Wirkt der Betroffene an einer erforderlichen Anhörung oder Begutachtung nicht mit, kann das Gericht seine Vorführung anordnen.

BGH, Beschl. v.  17.10.2012, XII ZB 181/12

Weil der Betroffene an einer psychischen Krankheit leide und seine Angelegenheiten selbst nicht besorgen könne, hatte das Amtsgericht die Betreuung des Betroffenen angeordnet. Der Betroffene wandte sich mit der Beschwerde zum Landgericht gegen die Betreuung, dieses half der Beschwerde jedoch nicht ab, weshalb der Betroffene Rechtsbeschwerde zum BGH erhob.  Grundsätzlich ging es hier darum, in welcher Art und Weise der Betroffene vom Gericht zum Betreuungsverfahren angehört wurde und von dem Sachverständigen begutachtet wurde. Der BGH stellt klar, dass in gegebenem Fall schon die vom Amtsgericht durchgeführte Anhörung des Betroffenen verfahrensfehlerhaft gewesen war, weshalb das Landgericht als Beschwerdegericht die Anhörung des Betroffenen hätte wiederholen müssen.

Die Anhörung fand folgendermaßen statt: Ohne zuvor einen Termin mit dem Betroffenen zu vereinbaren, suchtender Richter und ein Sachverständiger ihn in seiner Wohnung auf. Aber er weigerte sich, die Tür zu öffnen, er wollte den Richter und den Sachverständigen nicht in seiner Wohnung haben. Erst nachdem dem Richter den Schlüsseldienst und die Polizei herbeigeholt hatte, öffnete er die Tür. Damit hat das Gericht den deutlichen Widerspruch des Betroffenen missachtet und seinen Willen übergangen. Die Anhörung und Begutachtung des Betroffenen in dessen Wohnung  erfolgten ohne Rechtsgrundlage und wurden in rechtswidriger Weise durchgesetzt.

Sogar wenn der Betroffene sich zuvor einer richterlichen Anhörung entzogen hätte, hätte dies nichts an der Rechtswidrigkeit dieser konkreten Vorgehensweise geändert. In einem solchen Fall ist vielmehr die Vorführung des Betroffenen nach § 278 Abs. 5 FamFG vorgesehen, aber nicht die Schaffung einer für den Betroffenen beängstigenden und ausnahmeähnlichen Situation wie die geschilderte. Im Übrigen liegt es auf der Hand, dass eine derartig aufreibende Situation nicht geeignet ist, dem Gericht einen zutreffenden Eindruck des Betroffenen zu verschaffen.  Unter diesem Geschichtspunkt muss natürlich auch erst recht die Erstellung eines Sachverständigengutachtens beurteilt werden. Denn ebenso wenig, wie der Betroffene gegen seinen Willen in der Wohnung angehört werden darf, darf der Sachverständige ihn gegen seinen Willen in seiner Wohnung untersuchen. Außerdem kommt hinzu, dass eine solche Ausnahmesituation nicht dazu geeignet sein kann, eine genaue Untersuchung vorzunehmen, die dann in eine fachgerechte Begutachtung münden kann. So ist es auch zu verstehen, dass der Sachverständige in seinem Gutachten darauf verzichtet hat, dem Betroffenen „gezielte Fragen zu seiner Lebensgeschichte“ zu stellen, „da die Umstände, die die Begutachtung ermöglicht hatten, die Bereitschaft des Betroffenen, bereitwillig über sich zu sprechen, nicht vergrößerten.“Aufgrund der festgestellten Verfahrensfehler hätte eine weitere, ordnungsgemäße Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen erfolgen müssen. Davon durfte das Landgericht auch unter dem Gesichtspunkt nicht absehen, dass er sich dieser erneuten Untersuchung wieder widersetzte. Vielmehr wäre dann die Vorführung des Betroffenen nach § 283 FamFG in Betracht zu ziehen gewesen.

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